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16. Und nun?

Ich hatte alle Gefühle, die man sich vorstellen kann.
Ich war traurig, aber immer häufiger auch wütend.
Wütend auf Schwangere.
Wütend auf Schwangere, die rauchen und trinken. Wütend auf Schwangere, die kein Kind wollten. Aber auch wütend auf Schwangere, die „einfach“ nur an mir vorbei liefen.
Ich war neidisch und es fühlte sich so ungerecht an – überall glückliche Schwangere –
ich fand es zum kotzen.

Ich wollte auch eine Babykugel.
Ich wollte auch ein kleines Baby im Arm.


Natürlich wusste ich, dass ich ungerecht war. Ich kannte die meisten Frauen nicht. Ich wusste nicht, ob sie vielleicht selbst ein Schicksal hinter sich haben. Ich wollte auch nicht neidisch sein – ich wollte jeder Frau, jedem Paar sein gesundes Kind gönnen, aber ich konnte es nicht!

Wir bekamen natürlich zu hören, dass wir ein gesundes Kind haben und dass es doch damit gut sei. Oder dass wir wenigstens fünf Jahre warten sollen und dann nochmal neu starten sollen, wenn `das Alles` vergessen ist und man nicht mehr trauert. Natürlich waren wir froh und sehr dankbar, dass wir eine gesunde Tochter hatten. Aber deshalb verschwand der Kinderwunsch nicht. Er war immer noch da und es fehlte einfach jemand. Diese „Lücke“ war unerträglich dazu
noch so sichtbar. Schließlich stand ein Kinderzimmer bereit, an dem ich x- mal am Tag vorbei lief. Das mich mit seiner grünen Farbe erinnern ließ, dass alles okay war und dann plötzlich von einer auf die andere Sekunde mir mein Kind genommen wurde. Und ein paar Jahre warten? Was sollte dann anders sein? Wir würden unsere Kinder immer noch vermissen, hätten immer
noch einen starken Kinderwunsch und würden immer beim Was-Wäre-Wenn hängen bleiben. In fünf jahren wäre eine erneute Schwangerschaft mit genauso vielen Ängsten verbunden wie jetzt – oder vielleicht sogar mit noch mehr Ängsten. Wenn es jetzt nochmal schief geht, sind wir wohl noch ein Stück mehr traurig. Wenn es in fünf Jahren passiert, reißt es uns vermutlich wieder in ein ´Wer-Weiß-Wie´ tiefes Loch.
Dennoch gaben wir uns etwas Zeit, ließen dann aber meinen Körper entscheiden, ob und wann er für eine erneute Schwangerschaft bereit ist.
Nach einer Fehlgeburt einen bestimmten Zeitraum zu warten ist medizinisch nicht mehr notwendig. Und wie man bei uns sieht, hat es nichts damit zu tun, ob die Folgeschwangerschaft intakt ist oder nicht.


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